Vom 26. bis zum 29. Oktober 2025 unternahm das Katholische Bildungswerk Waidhofen an der Ybbs eine viertägige Kultur- und Pilgerreise zu sorgfältig ausgewählten Zielen in der Tschechischen Republik.
Einer Idee des geistlichen Leiters dieser Reise, Msgr. Mag. Herbert Döller, entsprechend hatte Mag. Johann Kern wiederum die Planung und Reiseleitung unternommen.
Über Znaim ging es direkt zum ersten Ziel in die mährische Hauptstadt Brno/Brünn. Unterwegs präsentierte der Reiseleiter eine Übersicht über die extrem wechselvolle Geschichte unseres nördlichen Nachbarlandes, wobei er immer wieder auch auf die zahlreichen Wechselbeziehungen zu Österreich hinwies.
In Brno erfolgte die erste Begegnung mit dem Künstler Dr. Karel Rechlík, der in Waidhofen an der Ybbs kein Unbekannter ist, hat er doch an die Neugestaltung des Altarraumes in der Stadtpfarrkirche geplant und das Fastentuch geschaffen. Gemeinsam mit ihm wurde das dem ehemaligen Abt des Altbrünner Augustinerklosters Gregor Mendel, dem Begründer der Vererbungslehre, gewidmete Museum in den Räumen der Abtei besucht. Eindrucksvoll war auch die anschließende Führung in der Altbrünner Pfarr- und Klosterkirche mit Werken von Karel Rechlik.
Am Abend war ein individueller Besuch des Stadtzentrums allzu verlockend, wo die imposante und jüngst restaurierte Jakobskirche und – kurz vor Beginn eines Konzerts – auch die Kathedrale auf dem Petrov für Kurzbesuche geöffnet waren. Einem Musiker des Domkonzerts, dem die niederösterreichische Reisegruppe später begegnete und der sich nach ihrer Herkunft erkundigt hatte, war Waidhofen an der Ybbs überraschenderweise sehr gut bekannt, da er einst an der Waidhofner Musikschule unterrichtete und auch im Kammerorcherster gespielt hatte, dessen hohe Qualität er lobte.
Der zweite Reisetag führte die Gruppe vorerst nach Křtiny/Kiritein zur vielbesuchten barocken Marienwallfahrtskirche, ein Meisterwerk mit einem imposanten Freskenzyklus . In der dazugehörigen Annakapelle leitete Msgr. Mag. Döller erst eine Morgenandacht, ehe die Kirche selbst besichtigt werden konnte, wo ein örtlicher Pfarrangehöriger bereitwillig Auskunft gab. Als Übersetzer fungierte Vikar Martin Talnagi, ehemaliger Kaplan in Waidhofen. Die Weiterreise führte in die sehenswerte Altstadt von Svitavy/Zwittau mit ihren eindrucksvollen Arkaden. Am Nachmittag stand die in unmittelbarer Nähe der Stadt Králiky/Grulich bedeutendste Wallfahrtskirche des Bistums Königgrätz und das Kloster auf dem Muttergottesberg auf dem Programm. Der zuständige Pfarrer Josef Sochar erklärte den Bau und die Geschichte des Ortes, der in der kommunistischen Ära als Internierungslager für über 500 Priester diente. Im Kreuzgang des Klosters wurde auch die dem römischen Vorbild nachempfundene Heilige Treppe besucht. Abschließend ging es zum zweiten Übernachtungsort, Rychnov nad Kněžnou.
Ehe Rychnov am tschechischen Nationalfeiertag verlassen wurde, nützte man noch die Gelegenheit, das Schloss Kolowrat und die Dreifaltigkeitskirche zu betrachten und zu fotografieren.
Höhepunkt des Tages und der gesamten Reise war zweifellos die Kirche Mariä Himmelfahrt von Neratov/Bärnwald. Dieses Bauwerk war schon im 17. Jahrhundert ein bedeutender Wallfahrtsort und wurde 1945 von einer russischen Granate vollständig zerstört. Die Ruine sollte dem Erdboden gleichgemacht werden, doch wurde nur die Renaissancetreppe entfernt. Die 1992 als Kulturerbe registrierten Überreste wurden restauriert. 2007 erhielt die Kirche ein Glasdach, das den Blick zum Himmel erlaubt. Dr. Rechlík und ein aus Brünn angereister Ingenieur erklärten die fortschreitenden Erneuerungen des Innenraums, an deren Wiederentstehung sie federführend mitgewirkt haben. Gemeinsam feierte man hier mit dem pensionierten Waidhofner Pfarrer Herbert Döller und den beiden mitreisenden Priestern den Pilgergottesdienst. Inzwischen hatte zwar Regen eingesetzt, der aber niemanden davon abhielt, über einen nahen Steg ein paar Schritte auf das nahe polnische Staatsgebiet zu setzen.
Nächster Programmpunkt war die imposante Barockanlage in Kuks, die die Adelsfamilie Sporck erbauen ließ und darin ein Invalidenhospital beherbergte. Überlebensgroße allegorische Statuen von Lastern und Tugenden konnten nicht nur regennass vor dem ausgedehnten Spitalsgebäude, sondern auch trocken in einem Lapidarium bewundert werden. Die Führung schloss auch die Alte Apotheke, die Sakristei, die historische Barockkrippe und die Dreifaltigkeitskirche mit ein. Als Übersetzer leistete Martin Talnagi wieder wertvolle Dienste.
Abschließend fuhr man nach Hradec Králové/Königgrätz, wo im Hotel Vacek sowie im Adalbertinum, beide direkt am Hauptplatz mit Blick zum Weißen Turm, zum Heiliggeistdom und zum Alten Rathaus, genächtigt wurde.
Der letzte Tag startete mit einem Wortgottesdienst in der Hauskapelle des Adalbertinums, dem ehemaligen Jesuitenkolleg. Dann war dieser Tag vorerst der ehemaligen Silberbergbaustadt Kutná Hora/Kuttenberg gewidmet, wo im östlichen Vorort Sedlec zuerst das schaurige Beinhaus, dann die darüber errichtete Allerheiligenkirche besichtigt wurden und nicht weit davon entfernt eine als Kathedrale bezeichnete ehemalige Zisterzienserklosterkirche – im Stil der Barockgotik errichtet -bewundert wurde. Nur wenige Kilometer südwestlich davon liegt am Rand des historischen Altstadtzentrums von Kutná Hora die Barbarakathedrale, ein großartiges Architekturjuwel der Gotik in Böhmen, die besonders eingehend besichtigt wurde, weil sie mit Recht ebenso wie die Kirche und das Beinhaus in Sedlec zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
In der Umgebung von Ždár nad Sázavou/Saar liegt auf dem Zelena Hora/Grünen Berg als weiteres UNESCO-Weltkulturerbe eine ebenfalls im regionalen Stil der Barockgotik errichtete Wallfahrtskirche zu Ehren des Heiligen Johannes Nepomuk, die allerdings wegen der beschränkten Öffnungszeiten nur außen zu besichtigen war.
Der schnelle Einbruch der Dunkelheit drängte zum Aufbruch über die Grenze zurück nach Österreich.
Eine Vielzahl von weiteren sehenswerten Orten, auf die der Reiseleiter unterwegs hingewiesen hatte, lässt zusätzliche Fahrten durchaus wünschenswert erscheinen.
Ein großer Dank aller Teilnehmer richtet sich an den umsichtigen Busfahrer Gerhard Rupp und Mitterbauer Reisen als durchführendes Busunternehmen.
Reich beschenkt wurde die Ybbstaler Gruppe mit großartigen Eindrücken sakraler Kulturdenkmäler in unserem Nachbarstaat und den gemeinsam besuchten Pilgerzielen unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ – „ Das Wunder von Neratov“ mit den spirituell bereichernden Gebeten und Gottesdiensten sowie durch die Begegnung mit Karel Rechlik an den Orten seines Schaffens.
Text: Hans Müller
Fotos: Johann Kern